Panama - Kolumbien

Im Dschungel der Bürokratie

(Viel gibt's zu erzählen - also ausdrucken, Rotweinfläschchen öffnen, raus auf den Balkon, lesen ...)

 

Schlagen wir kurz das amerikanische Geschichtsbuch auf: Am 23. Dezember 1936 wurde auf der Internationalen Konferenz zur Festigung des Friedens in Buenos Aires ein Vertragswerk unterzeichnet, das den Bau einer einzigen länderübergreifenden Straße auf dem amerikanischen Doppelkontinent vorsieht: die Geburtsstunde des Pan-American Highways, bzw. spanisch (und also wohlklingender fürs mitteleuropäische Gehör) der Carretera Panamericana.

 

Seither wurde kräftig an der Umsetzung des Planes gearbeitet. Inzwischen umfaßt das Straßensystem der Panamericana beeindruckende 48.000 Kilometer und durchquert 14 Staaten. Ihre offizielle Startlinie in Fairbanks/Alaska überquerten wir im vergangenen August, ihren Endpunkt in Ushuaia/Feuerland hoffen wir im kommenden Januar zu erreichen. Dazwischen ist die Straße mittlerweile durchgehend befahrbar … das heißt … nicht ganz: ein winziges, gerade mal 90 Kilometer langes Teilstück zwischen Panama und Kolumbien fehlt. Das bergige Urwaldgebiet des Darien Gap ist die letzte asphalt-, bzw. schotterfreie Ecke zwischen Alaska und Feuerland – eine Hürde, die zu überwinden uns einige tausend Dollar, ein Sack voll Nerven und volle zwei Wochen kosten wird:

 

Der kleine Grenzübergang Sixaola an der Karibikküste zwischen Costa Rica und Panama ist ebenso abgelegen wie verschlafen. Als wir ihn gegen Mittag erreichen, werden wir auf costaricanischer Seite zügig abgefertigt, auf panamanischer (oder heißt es panamascher?) Seite geht erstmal garnix: geschlossen wegen Mittagspause. Im Niemandsland parken wir Lucy vor einem kleinen Café. Der eifrige Wirt prahlt gegenüber den wenigen Gästen mit seinen Deutschkenntnissen. Selbige beschränken sich zwar auf die beiden Worte „alles klar“, doch hey - das reicht für eine angeregte Unterhaltung:

 

Wir (spanisch, wohlgemerkt ): „Können wir hier unseren Wagen parken?“ – „Alles klar!“

„Einen Kaffee mit Milch, bitte!“ – „Alles klar!“

„Wo ist das Klo?“ - „Alles klar!“

„Wann macht der Zoll wieder auf? - „Alles klar!“

 

Na prima! Eine halbe Stunde und einen weggeschütteten Kaffee später stehen wir vor dem Schreibtisch einer beleibten Grenzbeamtin und bekommen ruck-zuck unseren Einreisestempel. Bienvenido in Panama!

Panama windet sich wie eine Schlange zwischen den beiden Amerikas. Seine Querausdehnung ist maximal 178 km, schmal genug, um noch am selben Nachmittag über die Berge hinüber zum Pazifik zu fahren. Dort finden wir auf dem bewachten Parkplatz eines Hotels an der Panamericana einen sicheren aber höllisch lauten Übernachtungsstellplatz. Als wir uns nach schlafloser Nacht früh am nächsten Morgen auf den Weg Richtung Panama Stadt machen, rauschen Haye und Willeke mit ihrem Landcruiser an uns vorbei. Zufall oder schicksalhafte Fügung? Weder noch! Wir waren eh verabredet in der Hauptstadt, und da dies die einzige Straße ist, die dorthin führt, überrascht es nicht, daß sich bereits hier unsere Wege kreuzen.

 

Panama City ist ein urbaner Schmelztiegel unter lähmend-heißer Tropenluft. Nirgendwo sonst erlebten wir ein drastischeres Zusammenprallen von bitterer Armut und luxuriösem Wohlstand. Die Skyline nimmt es locker mit der US-amerikanischer Metropolen auf, der Panamakanal läßt reichlich Dollars in die Kassen der Stadt spülen, liberale Bankgesetze ziehen zusätzlich ausländische Geldinstitute an; doch von einer Umverteilung scheint hier niemand etwas zu halten: zwischen Wolkenkratzern, Shopping Malls und Autohäusern aller erdenklicher Luxusmarken hausen verwahrloste Menschen in erbärmlicher Trostlosigkeit. Wir argwöhnen, in ein soziales Spannungsfeld einzutauchen, das uns mehr denn je zur Vorsicht mahnt.

 

Der Balboa Yachtclub gilt in der Traveler Szene als sicherer Treff- und Ausgangspunkt zur anstehenden Verschiffungsprozedur nach Kolumbien. Tatsächlich stehen dort bereits drei weitere Reisemobile: Christina und Bausi aus der Schweiz mit ihrem Mitsubishi (Wolf), Harald und Petra mit einem Landcruiser (Toddel), Nils, Anke und Töchterchen Maya (2 Jahre) mit Bulli „Goldie“. Fast erinnert die Runde ans jährliche Därr- Globetrottertreffen im Niederbayerischen. Wir tauschen Infos und Erfahrungen aus und bringen uns gegenseitig auf den verschiffungstechnisch neusten Stand:

 

Die Schiffsagentur „Barwil“ scheint dieser Tage die verläßlichste Adresse in Panama zu sein. Sie vermittelt Container-, Ro/Ro- und sogenannte Lo/Lo-Verschiffungen (die Fracht wird mit dem Kran aufs Schiff gehievt) nach Kolumbien. Am nächsten Morgen drängen wir uns zu neunt (Sabine und Willeke bleiben im Yachtclub) bei Barwil ins eisig klimatisierte Büro von Evelyn Batista. Evelyn ist eine herzliche Panamerikanerin. Sie spricht hervorragend englisch. Von etlichen Telefongesprächen sind mir ihre Stimme und ihr unvergleichlicher Akzent bereits vertraut. Ihre Hüfte erinnert vage an den Schiffsrumpf eines Frachters, das mag nun wirklich ein Zufall sein …!

 

Für alle Fahrzeuge ist relativ schnell eine geeignete Containerverschiffung zu einem erstaunlich günstigen Preis gefunden – nur Lucy darf da nicht mit: mit ihrer Höhe kriegen wir sie in keine normale Kiste. Evelyn verspricht uns, sich um einen „Open-Top-Container“ zu kümmern, der – wie der Name sagt – nach oben offen ist. Sie ist guter Dinge, daß bis zum Stichtag Ende der Woche so ein Ding gefunden ist, und schickt uns mit allen anderen schon mal los, den aufwendigen und zeitraubenden Papierkrieg zu eröffnen.

 

Noch am selben Nachmittag suchen wir die Zollbehörde auf, um unsere Einfuhrpapiere korrigieren zu lassen. Lucy und Wolf sind mit fehlerhaften Dokumenten versehen.  In unserem Fall stimmt die Fahrgestellnummer und mein Name nicht: in dem Formular heiß ich Michael Boyny Herr. Das dürfte bei der Polizei für Verwirrung sorgen, da „Boyny“ als zweiter Vorname deklariert ist und „Herr“ als Nachname. Allein solche Geringfügigkeiten können den weiteren Ablauf beträchtlich verkomplizieren, also lassen wir neue Papiere ausstellen.

 Am nächsten Morgen erscheinen wir in voller Runde beim „Policia Tecnica Judicial“, wo unsere Fahrzeuge mit den (korrigierten) Papieren abgeglichen werden und wir eine Bestätigung erhalten, daß wir ordentliche Besitzer selbiger sind und in den letzten 8 Tagen in keinen Unfall verwickelt waren. Das Büro, in das wir uns quetschen, gleicht der Pförtnerkammer eines zweitklassigen Metallwarenlagers  – passend dazu verläuft die Prozedur etwas schleppend: ein kauziger Polizist müht sich an einem Vorkriegscomputer ab und stellt erst nach dem 3. Fahrzeug fest, daß der Drucker spinnt. Keine der bisher erledigten Formulare sind in irgendeiner Form abgespeichert, also fängt der inzwischen gestreßte Behördenmensch von vorne an. Stunden später führt man uns über die Straße in ein neues Verwaltungsgebäude, wo die ausgedruckten Papiere bei einer Vorzimmerdame landen. Wieder warten wir in einem Vorraum darauf, daß ein unsichtbarer Amtsvorsteher ein neu aufgesetztes Formular unterschreibt, welches wir später der Zollbehörde vorlegen müssen. Im Vorraum steht ein Fernseher. Das Fußballspiel Deutschland-Ecuador flimmert von der Zimmerecke herab – endlich ein Grund zum Jubeln …!

 

Mit allen notwendigen Unterlagen versehen suchen wir am Nachmittag die Zollbehörde auf. Im ersten Büro rechts entlang eines langen Behördenflurs sitzt ein freundlicher Beamter, der angesichts fünf zu bewältigender Fahrzeugpapiere zunächst den Überblick zu verlieren scheint. Wieder hocken wir tatenlos da und harren der Dinge, doch am Ende haben wir alle Dokumente beisammen, die zur Verschiffung benötigt werden. Nun braucht zumindest Lucy nur noch ein Schiff!

 

Abermals besetzen wir in voller Mannschaft am frühen Abend Evelyns Büro. Alle übergeben stolz ihre Dokumente wie Schüler ihre Zeugnisse nach bestandener Reifeprüfung – nur Sabine und ich erfahren schlechte Neuigkeiten: ein „Open-Top-Container“ ist zwar gefunden, aber die Spedition will sich auf keinen Preis mit Barwil einigen. Diese Nachricht läßt nach 1 1/2 Tagen nervtötendem Ämtermarter meine Stimmung lotrecht abstürzen (in solch einer Laune kann ich ja so richtig ekelhaft werden. Die Folgen kriegt der unbedarfte Harald später am Yachtclub wegen einer Lappalie zu spüren. Er zeigt großherzig Verständnis – aber ich ahne, daß er mir in Wahrheit wohl nie so recht verzeihen wird …!).

Am nächsten Morgen telefoniere ich erneut und wie vereinbart mit Evelyn, nur, um zu erfahren, daß noch immer keine Einigung gefunden ist und ich es am Nachmittag nochmals versuchen solle. Das tu ich Stunden später – und wieder ist nichts vorangegangen. „Na schön, Evelyn, “ sag ich ihr, „in 20 Minuten bin ich bei Dir im Büro und dann suchen wir nach einer neuen Lösung.“

 

Ich hole den Roller von der Plattform herunter und rausche durch den Feierabendverkehr von Panama City entlang verstopfter Straßen zu Barwil. Dort sitzen Evelyn und ich am Computer ihres vollgepackten Schreibtisches und wir gehen alle möglichen Optionen durch. Sie telefoniert mit etlichen Speditionen, schreibt Emails und schließt sich mit ihrem Vorgesetzten kurz. Am Ende wird unsere Beharrlichkeit belohnt: in drei Tagen verläßt die „Westerhaven“ Colón und wird am nächsten Tag Cartagena erreichen. Für Lucy steht eine Plattform bereit, auf der sie aufs Schiff gehievt wird. 1.950 US$ kostet der Spaß, dreimal so viel wie die übrigen für ihre Containerverladung zahlen und etwa 30 Prozent teurer als unsere Verschiffung von Deutschland nach Kanada. Solche lukrativen Geschäfte gelten mit als Grund dafür, daß Panama und Kolumbien kein wirkliches Interesse an einer durchgehenden Straßenverbindung haben. Trotzdem atme ich durch!

 

Im selben Bürogebäude, in dem Barwil untergebracht ist, finde ich einen Ticketschalter der COPA, der panamaschen Fluggesellschaft. Ich kaufe zwei einfache Tickets nach Cartagena (derselbe Flug, in dem die übrige Truppe gebucht ist). Das macht zusammen noch mal 540 US$ für 50 Minuten Flugzeit. Ja bin ich denn eine Melkkuh?!

 

Anderntags kurz nach Sonnenaufgang machen sich fünf europäische Reisemobile auf den Weg ins 80 Kilometer entfernte Colón. Lonely Planet schreibt über die Hafenstadt an der Karibikküste: „Warnung! Colón ist ein gefährlicher Slum. Wenn Sie keinen dringenden Grund haben, hierher zu kommen, tun Sie sich einen Gefallen und umgehen Sie es. Kriminalität ist ein ernstes Problem. Es ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, daß Sie überfallen werden, selbst mitten am Tag. Falls Sie in Colón unterwegs sind, nehmen Sie ein Taxi, gehen Sie nie zu Fuß.“ Nun, wir haben einen dringenden Grund, hier aufzukreuzen. Vorsorglich stecke ich das Pfefferspray in die Hosentasche, Sabine läßt den Hüftbeutel mit Pässen und Kreditkarten unter ihre Hose verschwinden.

 

Zwei Häfen gibt es in der Stadt. Bruce, Toddel, Wolf und Goldie werden im Hafen Manzania erwartet, wir steuern Puerto Cristobal an. Im Hafengelände verläuft die Fahrzeugübergabe in erfreulich zügigen drei Stunden. Zoll- und Frachtpapiere werden ausgestellt, wir zahlen eine Hafengebühr, Lucy wird ein letztes Mal inspiziert, dann lassen wir sie auf einem staubigen Parkplatz zwischen Containern und Metallrollen zurück und tun uns mit der Trennung ein wenig schwer …! Um kein Risiko einzugehen, befolgen wir die Ratschläge von Lonely Plant mehr als punktgenau: setzen uns in ein Taxi und lassen uns die 80 Kilometer nach Panama City zurückchauffieren. Auf die 40 Dollar kommt’s nun weiß Gott auch nicht mehr an.

 

Abends treffen wir die anderen wieder, sitzen in großer Runde im Innenhof eines italienischen Restaurants und feiern die – bis dahin – erfolgreiche Umgehung einer gerade mal 90 Kilometer langen Straßenlücke.

 

Am nächsten Tag, es ist Samstag, setzt die Maschine der COPA pünktlich und samtweich auf die Landebahn des Flughafen Cartagenas auf. Wir betreten zum ersten Mal südamerikanischen Boden! Der allerdings ist reichlich naß. Tropischer Dauerregen hat die Straßen der alten Kolonialstadt unter Wasser gesetzt.

 

Die Suche nach einem geeigneten Hotel im Zentrum der Stadt gestaltet sich zunächst mühsam: 10 Reisende mit unterschiedlichen Komfortansprüchen und geldmäßigen Ausstattungen sind nur schwierig unter ein Dach zu bringen. Doch was wir als Team in Panama begonnen haben, wollen wir als Team in Cartagena zum Abschluß bringen. Und so können sich am Ende immerhin acht der zehn auf das wirklich hübsche Hotel Villa Colonia in einer engen Seitengasse der Altstadt einigen. Harald und Petra verabschieden sich von der Gruppe und gehen ihre eigenen Wege.

 

Wir nutzen das verlängerte Wochenende (der kommende Montag ist Feiertag in Kolumbien) für ausgiebige Spaziergänge durch Cartagenas wunderschöne Altstadt. Prächtige Kolonialbauten reihen sich da um geschäftige Plazas, in denen Straßenhändler feines Kunsthandwerk verkaufen und Performancegruppen zu afrokaribischen Trommelschlägen leidenschaftliche Tänze darbieten. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, das fröhliche und unbeschwerte Treiben in den Gassen verzaubert uns – kaum zu glauben, daß wir in einem Land sind, das vom Auswärtigen Amt als extrem gefährlich eingestuft wird und von dessen Besuch ausdrücklich abgeraten wird. Das einzig kriminelle in diesen heiteren Tagen sind allenfalls die hohen Temperaturen und die unerträgliche Luftfeuchtigkeit. Die heißesten Stunden des Tages verbringen wir in unserem klimatisierten Hotelzimmer oder in einem der fabelhaften, preiswerten Restaurants.

 

Dienstag ist Schluß mit lustig. Wir machen uns auf, unsere Fahrzeuge aus den Klauen des Hafenareals zu befreien. Die Container-Clique zieht geschlossen zum Containerhafen, wir müssen erneut eine andere Adresse aufsuchen. Wir ahnen, daß die Prozedur hier noch komplizierter ist als in Panama und heuern daher Daniela, die 18-jährige Tochter des Hotelbesitzers, als Dolmetscherin an. Sie spricht fabelhaft englisch und entwickelt sich im Laufe der nächsten zwei Tage zur ausgemachten Agentin.

 

Ich erspare es mir jetzt, die ganzen aufwendigen Abläufe im Detail zu schildern, die uns rund um Lucys Freilassung erwarten; erspare es mir, verwirrende Einzelheiten und unsinnige Prozeduren aufzuzählen. Nur einige aussagekräftige Zahlen will ich wiedergeben: 12 Taxifahrten durch Cartagena, 37 Kopien, 298 US$ Kosten und Gebühren (Taxikosten nicht mitgerechnet), rund 18 verschiedene Sachbearbeiter, 2 abgekaute Fingernägel und etwa eine Trilliarden irreparabel ruinierte Nervenzellen kosten es uns, bis wir schließlich Mittwoch Nachmittag Lucy durch die Hafenabsperrung hinaus in die Straßen von Cartagena steuern können. Wenn Ineffizienz eine heilige Tugend ist, verdient das gesamte Personal der kolumbianischen Zollbehörde die kollektive Seligsprechung.

 

Nun sind wir seit einer Woche im Konvoi mit Haye, Willeke, Nils, Anke und der kleinen Maya Richtung Süden unterwegs entlang der Panamericana (Bausi und Christina ziehen Richtung Osten nach Venezuela). Wir durchfahren ein dramatisches Bergland, an dessen Hänge sich Kaffeeplantagen schmiegen, passieren freundliche, aufgeräumte Dörfer, in denen uns heitere Menschen begrüßen. Es gibt sie, die Guerillakämpfe, vor denen der Reiseführer und das auswärtige Amt warnen, doch die Panamericana gilt als sicher. Militär und Polizei zeigen Präsenz entlang der gesamten, erstklassig ausgebauten Strecke. Wenn wir rasten, tun wir dies an Kontrollpunkten, wo zuvorkommende Uniformierte immer Zeit für ein kleines Gespräch haben. Kolumbien überrascht mit jedem Tag. Die Nation scheint sich nach nichts mehr zu sehnen als nach Frieden und Normalität. Ihre Menschen sind herzlich und bescheiden und zu Recht stolz auf ihr wunderschönes Land.

 

Im kleinen Bergdorf Silvia auf 2500 Metern Höhe besuchen wir den Wochenmarkt. Indigene Landbewohner vom Stamme der Guambian kommen in farbigen Bussen aus dem Umland und verkaufen Gemüse, Obst, Vieh und Werkzeuge. Sie tragen ihre traditionellen Trachten: handgesponnene, dicke Stoffe und schwarze Filzhüte. Es ist unsere erste Begegnung mit Nachfahren des Inkareiches, daß sich in seiner Blütezeit bis nach Kolumbien erstreckte. Weil sich kaum ein Tourist hierher verirrt, scheint der Ort authentischer und unverfälschter zu sein als alle vergleichbaren in Mittelamerika. Da sind keine Händler, die aufs lukrative Souvenirgeschäft setzen, keine bettelnden Kinder, die uns für ein paar Pesos hinterher rennen. Statt dessen scheue, höfliche Menschen, die meiner Kamera mit Argwohn begegnen und die uns zu einem fairen Preis ihre herrlich süßen, tropischen Früchte verkaufen. Wir sind von einer Welt umgeben, von der wir glaubten, es gäbe sie nur noch zurechteditiert im National Geographic Channel.

 

Die heutige Nacht verbringen wir in angenehm kühlen 1800 Metern Höhe auf einem richtigen Campingplatz mit Duschen, Toiletten und Stromanschluß. Um uns herum steigen die Berge auf über 5000 Meter auf, ein Bach rauscht neben unserem Lager das Tal hinunter. Kinder eines Schulausflugs schleichen immer wieder neugierig an unseren Fahrzeugen vorbei, die mutigsten unter ihnen begrüßen uns mit einem zögerlichen buenos dias. Unter einem Zeltdach hat Mauricio, der Besitzer der Anlage, einen Fernseher aufgestellt, damit wir uns das WM-Endspiel Italien-Frankreich anschauen können. Gleich beginnt die zweite Halbzeit. Ich hol mir am Kiosk bei Carlos ein kühles ‚Club Columbia’ und werd mich zu den anderen setzen …!