Das Datum ist purer Zufall, und dennoch meint man, darin eine gewisse Symbolik zu erkennen: am ersten Januar 2012 erreichen wir den südlichsten Flecken Afrikas, das Cape Agulhas, und damit gleichsam einen – nein, den Wendepunkt unserer Reise. Von nun an geht es wieder Richtung Norden; ab hier entfernen wir uns nicht mehr von der Heimat, statt dessen rücken wir ihr wieder näher. Als wir da an der windigen, rauen Küste stehen, wo der indische Ozean und der Atlantik aufeinandertreffen, da überkommt uns schon eine tiefe Zufriedenheit, eine große Ergriffenheit und auch ein Anflug von Stolz über die zurückliegenden Abenteuer.
Ziemlich genau ein Jahr waren wir bis hierher unterwegs. Es waren die spannendsten und herausforderndsten, aber eben auch die glücklichsten 12 Monate, die wir je auf Achse erlebt haben. Afrika hat von uns bisweilen ziemlich viel abverlangt, doch für jede gemeisterte Schwierigkeit hat es uns 100fach belohnt. Es hat uns etliches gelehrt, vor allem eines: mit unserem eigenen rationalen Urteilsvermögen, das geprägt ist von unserer Herkunft, Kultur und Mentalität, kommen wir hier nicht weiter, stoßen wir immer wieder an Grenzen, prallen gegen unsichtbare Wände. Afrika bleibt ein irrationales, widersprüchliches Rätsel, es untergräbt unsere Vernunft. Es schockiert und verzaubert, es ist hässlich und anziehend, gewalttätig und sanft, roh und heiter, Afrika nervt und Afrika verführt.
Wir machen Pause - Urlaub vom Reisen, wenn man so will - und wir ziehen Zwischenbilanz. In Simon’s Town unweit von Kapstadt haben wir uns ein altes Cottage mit Blick über die False Bay gemietet. Mathilda steht in einer Mercedes Werkstatt. Sie hat einen ausgiebigen Service verdient, braucht einen Komplettcheck, neue Reifen, neue Filter, einen neuen Kühlerventilator, etc… . 40.000 Kilometer durch 21 Länder gingen nicht spurlos an ihr vorbei, wiewohl sie sich großartig und tapfer geschlagen hat. Nicht ein Plattfuß hat uns unterwegs aufgehalten. Das grenzt schon beinahe an ein Wunder. Auch zwischen Alaska und Feuerland hatten wir keinen einzigen zu beklagen. Vielleicht liegt’s ja daran, dass unser Schutzheiliger auf Reisen das Michelin-Männchen ist, vielleicht ist es aber auch einfach so, dass ich ein ganz ausgezeichneter Fahrer bin …;) …!
Derweil genießen wir die Vorzüge eines richtigen Hauses, eine Badewanne, ein komfortables King-Size-Bett, eine Küche, in der zu zweit gekocht werden kann, Fernsehen mit 3(!) Movie-Channels und eine sonnige Terrasse hoch über dem tiefblauen Meer. Wir bummeln durch einen aufgeräumten, historischen Ortskern von Simon’s Town, wo sich die Fischrestaurants aneinanderreihen wie anderswo die Fastfood-Läden. Jedes einzelne will ausprobiert werden und alle sind sie klasse! Mit Afrika hat Simon’s Town etwa so viel zu tun wie Buschtrommeln mit einer zünftigen bayerischen Marschkappelle, aber für den Moment beklagen wir uns nicht darüber.
Unser Blick in diesen Tagen ist zurückgerichtet. Wir schwelgen in Erinnerungen, erzählen uns gegenseitig Episoden, lesen Auszüge aus unseren Tagebüchern und schauen uns Videos und Fotos an. Wir nutzen freilich auch die Zeit (und das Internet hier), um die Weiterreise durch Westafrika zu planen, und da tun sich erheblich Probleme auf. Angola macht seine Grenzen für Touristen dicht, man kriegt keine Visa. Doch an dem Land führt kein Weg vorbei. Im Kongo – so hört man - flammen immer wieder bürgerkriegsähnliche Kämpfe auf und in Nigeria wird von furchtbaren Gräueltaten von Muslime an Christen berichtet – die hässliche Seite Afrikas. Im Augenblick sind wir ein bisschen ratlos, wie es weitergehen soll. Es gibt da einen vagen Plan B, den wir im Hinterkopf haben: wir verschiffen Mathilda vom südlichen Afrika nach Tema/Ghana oder Dakar/Senegal und rollen von dort aus den Westen Afrikas auf. Doch wird es schwierig sein, einen Frachter zu finden, der unser Fahrzeug sicher und heil um die Krisenzonen schippert. Wir sitzen stundenlang am Notebook und stöbern durchs Internet auf der Suche nach einer Schiffagentur, die uns weiterhelfen kann. Gott sei Dank haben wir keine Eile. Erst mal stehen Botswana und Namibia nochmal an, dann ein 3monatiger Zwischenbesuch in Deutschland an. Und bis zum Sommer können sich die Zustände wieder völlig verändert haben. Auch das macht Afrika aus: es ist in ständiger Bewegung (und scheint gleichzeitig in ewiger Starre gefangen)!
Wir werden weiterhin auf dieser Webseite berichten– wenn auch sporadischer als bisher. Auch das ist eine Erkenntnis aus den zurückliegenden Monaten: wir haben zu viel Zeit am Computer verbracht. Bilder editieren, Videos schneiden, Berichte schreiben … das alles macht viel Freude, aber es diktiert zu sehr unseren „Alltag“ unterwegs (und wenn wir ehrlich sind, dann befriedigt dieser ganze Aufwand vor allem eines: die eitle Lust am Sich Mitteilen). Ach, und wo wir schon bei Erkenntnissen sind: Jede Reise, egal wohin sie führt, ist immer auch eine Reise zu Dir selbst. In dem Maße, wie sich die Welt um dich herum verändert, verändert sich der Blickwinkel Deiner Wahrnehmung. Sowohl hinsichtlich der Dinge da draußen als auch hinsichtlich Deiner selbst. Du siehst nicht klarer, aber komplexer. Die Welt wird nicht fassbarer, aber farbiger.
Und Afrika? Afrika lässt die Farben im Kopf explodieren!